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Wiesnsimulator 2016 - Der Pabst muss auf die Wiesn

 

Ein eisiger Montagmorgen im Frühjahr 2016. Das EK1HL trifft sich um 5:45 zur Einsatzbesprechung in der für die Öffentlichkeit noch geschlossenen Eckkneipe 'Der Flaschenöffner' (Name von der Redaktion geändert). Unter strengen Sicherheitsauflagen durften wir ein Training des Einsatzkommandos der hartenlinie am Wiesnsimulator miterleben.

Der 50jährige ehemalige Drogensozialarbeiter ist heute der führende Offizier der eingeschworenen Truppe, den Bodentruppen der hartenlinie. "Bei unseren Einsätzen agieren wir vorwiegend alleine, oft verteilt über mehrere Zelte. Aber für den Teamspirit sind unsere Übungen im Verbund unerlässlich. Besonders am Wiesnsimulator kommt da immer richtig Stimmung auf."

Den Wiesnsimulator gibt es in verschiedenen Modellen. Für Familien, Singles, U16 (Modell 'Call of Beer'), aber auch für ältere Menschen ('Die alte Wiesn') und im Profimodell 'Tao', das selbst kampferprobte Soldaten wie Herbert und das EK1HL im hardcore mode an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringt. Knallhartes Saufen bei mehreren Atü Druckluftbetankung mit bis zu 16 Personen gleichzeitig in der Miniaturausführung eines Bierzeltes. Geraucht werden darf auch und man sitzt förmlich vor seiner persönlichen Bedienung, der Pumpanlage des Wiesnsimulators.

Wirklich erstaunlich sind die Gadgets, die von Modell zu Modell variieren.
Der Wiesnsimulator für Familien bietet, vielleicht auch aufgrund der Kleinfamilientendenz, nur 4 Personen Platz, dafür gibt es 'beerbanking', wo auch die Kinder mithüpfen dürfen und auf dem Papa-Plätzchen auch mal ein Schnäpschen zwischendurch, dass er länger durchhält. "Das fördert seine Autorität und somit erwiesenermaßen auch den Familienzusammenhalt," wie uns die Herstellerfirma Wiesinger versichert. "Wir hatten anfangs im Sinn, dass sich jeder Spieler in den ersten Runden erstmal Geld verdienen muss, um damit möglichst viel Bier und Hendl in sich reinzustopfen. Das hat sich allerdings als sehr destruktiv für den Spielverlauf erwiesen. Ganz im Gegensatz zum Oktoberfest bezahlt man im Wiesnsimulator mit Kreditkarte. Damit ist der Wiesnsimulator auch gastwirtschaftsfreundlich. Wer als Kneipe nicht bald schon auf dem Trockenen sitzen möchte, legt sich besser schon heute seinen Wiesn-Sim zu. In einigen Jahren könnte man so nicht nur das Keipenwesen revolutionieren, sondern jeder kann sich seine Ganzjahreswiesn ins Wohnzimmer stellen."

Flaschenöffner 6:10 - Auf den 16 Monitoren flimmern Scores und Charts. Herbert:3kills:2shots:0vomits:25secsbeerbanking:1throw:5fights:2hendl usw. Damit liegt er an zweiter Position. Aber Herbert hat eine Langstreckenleber und ohne Gebiss ist er in den fights fast unschlagbar.

"Wenn der Herbert schon in der ersten Viertelstunde um zwei Mass Bier vorneliegt, wie wir sagen '2 kills ahead', dann sollten Sie mal sehen, wie der Rest der Mannschaft förmlich jeden Schluck mittrinkt, dass selbst die Umstehenden zu rülpsen und pfurzen beginnen ohne auch nur ein Schlückchen abbekommen zu haben. Ich darf jetzt nicht sagen wer, aber einer hat vor lauter Begeisterung sich schon mal in die Hosen geschissen und den Enddarm rausgekotzt, komplett nüchtern. Ich bin stolz, dass wir hier in München einmal die Woche am Wiesnsimulator die Darmwände auf Vordermann bringen dürfen. Nur so können wir international mithalten. Beispielsweise nächstes Monat bei den Russen, die ja bekanntlich nebenher nicht nur eine Kalbsleber, sondern gern auch mal ihre eigene, hochprozentige fressen."

Die Bodentruppen der hartenlinie haben sich über Jahre bis an die Weltspitze hochgetrunken. "Hochgearbeitet haben wir uns," betont der im Lederhosenkampfanzug und Sneakers vor mir torkelnde Führungsoffizier. "Wir haben das bis zur Perfektion umgesetzt, was uns von der Kirche über Jahrhunderte vorgegeben wurde. Von der Braukunst der Mönche bis zum Sieg der Bodentruppen der hartenlinie 2016. Wenn da nicht Kirchengeschichte und Weltgeschichte zusammenkommen wie Samen und Eizelle, wann dann. Vielleicht wird die Wiederkunft Gottes ja das Wiesn-Baby 2016. Drum hoffen wir, dass wenigstens einer unserer Briefe auf Fürbitte stößt und der Pabst zur Wiesn-WM 2016 aufs Oktoberfest kommt. Ob ins Franziskaner, Augustiner oder Paulaner. Der wird sich garnicht mehr auskennen. Denn die Wiesn, hier in München an der Salzstrasse, ist das einzige Kloster weltweit in dem alle Mönchsorden gleichzeitig hausen. Und uns is eigentlich egal, welcherer von beiden käme.

aus "eine Maria / hartelinie - Wiesn 2015 und rundherum"


Über das Kotzen hinaus - Ein Gastbeitrag von Kalle Baargeld

 

"Beurteilen Sie dieses Land ruhig nach seiner Grenze und nach diesem Niemandsland, über das es sich mit dem Nachbarn ausschweigt!"


1. Bavariaring: irgendwo dort sitzend, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, Wirbelsäule und Kopf hängen schlaff zwischen den Schultern, ein pelziges Gefühl am ganzen Rest, der ein Körper war, sich aber eher wie ein body anfühlt, wie eine Leiche.

Hinter dem Gefühl von eventuellem Tod aber der Stolz, es auf ein rundes Stück Holz geschafft zu haben, den ehemals jugendlichen Baum – junger, rasierter Baum am Arsch –, jetzt in der Horizentalen und im Verbund mit vielen anderen, auch mal junggewesenen Bäumen, jetzt tot, ein niedriger Zaun gegen hemmungsloses Queren einer Grenze, des Grünstreifens am Rand eines Geschehens, unseres Geschehens, des einzigen, das wir noch haben, außer manchmal dem Fußball.

Der Grünstreifen nicht am Rand, der Grünsteifen DER Rand des Geschehens, der matschgewordene Traumfresser an dem die Gescheiterten kleben bleiben, oder zumindest ihr berauschtes Gefühl.

Das Biotop, der Schwamm saugt das Gröbste auf, bevor es in den Rest der Stadt dringen könnte. Der Trubel, das Lachen und Schreien, die Lichter, das Rattern der Wäglein in ihren Schienen am Ohr aber nicht darin, keine Teilnahme am Lärm, kein Kummer, kein Interesse, in Ruhe davor, aber von Ruhe an sich keine Spur.

Speichel im Mund, viel Speichel, Sturzbäche aus den Drüsen unter der Zunge, Fontänen von oben, knapp neben den hintersten Zähnen.

Und der Blick ist ein Problem.

Ist er da, ist er schauderhaft und fällt in wildem Tempo aus einer Fuge durch die nächste und aus ihr heraus.

Es ist kein Verlass auf den Blick, er wird eingestellt, nach innen geholt.

Da flackern Eindrücke vom Nachmittag und von drinnen, von einem taumelnden Jungen, allein mit ein paar Quadratmetern Asphalt die ihn umgeben, die ihm vom lachenden, trottenden Pulk gewährt werden.

Er schleift den Hohlraum um sich durchs Gedränge, das ihm weicht, macht ganz unordentliche Ausfallschritte, den Schrägen über die er zu laufen meint mit Stabilität zu begegnen.

Vor Anstrengung oder aus Vergesslichkeit hat sich vor seinem Schritt ein nasser Fleck gebildet der nach unten ausufert, die Oberschenkel entlang, ein Torbogen zwischen den wankenden Beinen, der Junge auf dem Weg nach draußen, das feuche Hufeisen auf der Hose wünscht ihm hämisch Glück oder sonstwas.

Zur Spucke im Mund kommen Tränen in den Augen, Krokodilstränen rollen ohne jede Traurigkeit über die Wangen, die Wangen jetzt in den Händen, eiskalt und grau, so grau, dass selbst ein pelziger Finger die Farbe spüren kann.

Nie so enden, wie der Junge vom Nachmittag. Nie mit voller Hose vom Feld gehen, nie die kleine Arena aus Asphalt mit sich schleifen und das Lachen der Übriggebliebenen!

Das nicht, vorher sterben oder dem Tod von der Schippe springen, alles, nur nicht Gespött sein. Es gibt Gewinner und Verlierer und dann gibt es noch Verunglückte, die rangieren außer Konkurrenz.

Wer verunglückt, hat das Mitleid der anderen sicher, wer – wie der angepisste Junge – verliert, bekommt ihren Hohn zu spüren.

Langsam und schmatzend öffnet sich der Mund, ein weißlicher Bach kriecht über die Unterlippe, versiegt in einem langen, von Kugeln kleiner Bläschen durchsetzten Faden, die Augen fallen zu, oder es sind die Lider, die langsam und alles weitere auszublenden aufeinander zu kriechen.

Ein Ruck geht durch den sitzenden Körper, das fahle Gesicht verzerrt sich, neuer Speichel fließt, neue Tränen und dann pumpt sich der Mensch, oder ein Gespenst in seinem Bauch pumpt ihn leer.

Das ist die Peinlichkeit, da ist sie, auf dem Boden zwischen den Füßen, zu einem Drittel auf dem matschigen Grünstreifen, ein Drittel auf dem gepflasterten Weg und ein Drittel im Mund, säuerlich zwischen den Zähnen und dem Backenfleisch.

Niemandsland, Lücke die sich nimmt, wen sie nicht auf die Stadt loslassen kann. Quäkende Ansagerinnen – wieso klingen sie immer gleich, jetzt hier und vor dreißig Jahren in Hamburg? –, der Mief von den Reitponnys, die Pflanzenfresserscheiße, die man hier nicht und nirgends für voll nimmt, also auch nicht so eklig und so stinkig findet.

Im gekrümmten Rücken das Chaos als Lichtern, Gekreisch, Klappern und dem Lieblingslied der Blaskapellen, da kommen auch schon strafend die Retter. Stiefel mit Stahlkappen, rote Hosenbeine, Streifen reflektieren das Blinken eines Karussels oder der

Frage: "Wie heißen Sie?", keine Antwort.Zwei Hände packen den Unglücklichen unter den Achseln, heben ihn vom Holzbalken auf die kühlen Gehwegplatten.

Hinter Tränen das Gesicht an Granit geschmiegt, die Landschaft einer Fuge zwischen den Platten: Moos, Krümel, Sand, ein zertretener Grashalm, leider keine Ameise.

Dann eine Hand klatschend auf der Wange und wieder die Frage nach dem Namen. Fetzen von einem Gedankengang: lieber verunglücken, als dem Hohn zum Fraß vorgeworfen werden!

Kein Namen, dafür heftiges Röcheln, die Augen ganz auf und noch ein Stück weiter, zupacken, den Arm der Strafmannschaft greifen, das hier ist ein Ernstfall, nicht in den gelben Kasten, mindestens auf die Intensivstation.

Der betrunkene Körper krümmt sich wieder, diesmal nicht ruckartig, diesmal in Wellen. Mit jedem röchelnden Atemzug streckt er seinen Kopf nach hinten, legt ihn mit einem Klopfen auf den Gehweg in den Nacken, drückt dagegen, bis Hals und Schultern in der Luft schweben.

Zur Untermalung des ausgedachten Leides werden die Beine in wildes Zittern und eigentlich in ein Schlackern geschickt. Dazu fällt den Strafenden kein Absatz aus keinem ihrer einst studierten Lehrbücher ein.

Der Eine wirft sich auf die Unterschenkel und nimmt die Füße in eine Art Schwitzkasten, der Andere, immernoch im Griff des Betrunkenen, kramt hektisch eine Waffe oder deren Gegenteil aus seinem Arztköfferchen, dann kniet er sich auf die Oberarme des, inzwischen als Patienten zu bezeichnenden Körpers, damit dieser keinen Widerstand leisten könne und führt – den Unterkiefer im stählernen Griff seiner Hand aus den Vororten – ein gebogenes Plastikrohr in die Kehle des Röchelnden. Würgreiz, aber nichts zum Würgen.

Dafür ein weiches, warmes Gefühl an den Pobacken. Die waren einen Augenblick lang vergessen worden, haben, sich selbst überlassen, nachgegeben. Den Kunststoff im Hals, sind auch die Bemühungen ein Ernstfall zu sein abgeflacht. Arme und Beine liegen matt auf dem Boden, die Finger sind in ihrer Entspannung leicht gekrümmt, schmiegen sich aneinander, da findet ein echtes Gefühl statt, das erste echte Gefühl seit heute Mittag oder dem Anbeginn der Zeit, das macht jetzt keinen Unterschied.

Ein Gedanke an die volle Hose, die Kooperation beim Verladen auf die Bare ist ein Schnitzer im Repertoire des Simulanten, eine wärmende Decke über dem stinkenden Leib, kurzer Friede, dann wird der Blick in gelb getaucht und ein Schock oder eine halbschlafene Drüse regt sich: das Ganze Theater war umsonst, dieser Körper muss in dieser Hose und in acht Stunden ins Office geschickt werden.

aus »hartelinie, Gastbeitrag von Kalle Baargeld«

 

FIAKER 0,1 atü



 


 


 

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